Die meisten Entwürfe schleichen sich unbemerkt in meinen Kopf. Dort existieren sie zunächst eine Zeit lang, ich wende sie hin und her, beobachte, was sie in mir auslösen und überprüfe die Möglichkeit ihrer Realisierbarkeit. Manches verschwindet einfach wieder dorthin, wo es herkam, in die hintere Dachkammer, bevor ich es auch nur mit Bleistift auf ein Blatt Papier gezeichnet habe. Anderes macht sich mit solcher Zähigkeit in meinem Gehirn breit und kehrt immer wieder ins Bewusstsein zurück, dass die Entwicklung und Ausführung schließlich fast zwanghaft erfolgt.
Ich musste mich also dafür entscheiden, ein Bild zu entwerfen, nach streng gestalterischen Gesichtspunkten. Doch bereits erste Überlegungen und Forschungen über das Wesen und die Funktion eines Bildes führen schnell in unendliche Weiten1,2,3,4,5,6,7, deshalb beschränkte ich mich auf die Grundmerkmale: Ein Bild ist a) ein flacher Gegenstand an der Wand, der b) von Menschen betrachtet wird. Die am häufigsten verwendete Konstruktion besteht darin, dass die zu bemalende Leinwand über den sogenannten Keilrahmen gezogen und an dessen Rückseite angetackert wird. Ein sehr gutes System, für jedes Format geeignet und unbegrenzt funktionsfähig, denn die Spannung der Leinwand kann durch die an allen relevanten Stellen vorgesehenen Keile beliebig reguliert werden. Alle Rahmenteile sind aus unbehandeltem Holz und somit voll recyclingfähig. Davon fasziniert, entschied ich mich dafür, die Konstruktion sichtbar zu machen, indem ich anstelle von Leinwand transparente PE Folie über den Rahmen zog und die farbliche Gestaltung auf den Keilrahmen beschränkte. Das Wandstück hinter dem Bild bleibt optisch unversiegelt und es wird zu einem Bestandteil des Bildes, der sich mit den Lichtspiegelungen in der Folie ein lebhaftes Spiel liefert. Ob ich jetzt “Kunst machen” würde, wurde ich seitdem immer wieder gefragt. Nein! Mit Kunst hat das nichts zu tun. Nur Künstler erschaffen Kunstwerke. Gestalter oder Designer dagegen entwerfen Dinge, die von Menschen benutzt werden, also Gebrauchsgegenstände. Selbst wenn Funktion verweigert oder nur kommentiert wird, bleibt sie das Hauptbezugssystem. Unglückliche Wortschöpfungen wie Gebrauchskunst, angewandte Kunst oder gar Kunstgewerbe ändern daran gar nichts, eher dienen sie als Beleg für ein tief verwurzeltes Minderwertigkeitsgefühl. Stellen Sie sich bitte vor, ein Metzger würde seinen Betrieb als Fleischbäckerei bezeichnen. (2010) 1 Immanuel Kant “Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können” (1783) 2 Ludwig Wittgenstein “Tractatus Logico-Philosophicus” (1922) 3 Wassily Kandinsky “Punkt und Linie zu Fläche” (1926) 4 Susan Sontag “Kunst und Antikunst” (1966) 5 Hans Platschek “Über die Dummheit in der Malerei” (1984) 6 W.G.Sebald “Unerzählt” (2003) 7 Harald V. Uccello “Schweigen vier” (2009)
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Bilder PE-Folie, Keilrahmen, Dispersionsfarbe Einzelstücke in Eigenproduktion © Herwig Huber 2003 / 2004 |
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